Prof. Dr. med. Frank Marx, Diözesanarzt der Malteser im Bistum Münster, gibt Antworten auf Fragen zur Impfung gegen COVID-19.
Prof. Marx, aktuell wird viel und kontrovers über die Bereitschaft von beruflich Pflegenden und Angehörigen von Rettungsdienstorganisationen diskutiert, ob sie sich selber impfen lassen würden. Werden Sie sich impfen lassen?
Prof. Dr. med. Frank Marx: Ja, ich werde mich auf jeden Fall impfen lassen, wenn ich an der Reihe bin. Ich bin überzeugt davon, dass die Impfstoffe wirken und uns helfen, die Pandemie zu bekämpfen. Je mehr Menschen geimpft werden, desto größer ist die Schutzwirkung in unserer Gesellschaft. Unsere Bemühung als Gesellschaft muss sein, so viele Menschen wie möglich in kurzer Zeit zu impfen, damit wir in der Lage sind, unsere derzeitige Beschränkungen im Umgang zu reduzieren.
Können Sie verstehen, dass sich Menschen sorgen, sie könnten gesundheitlich Schaden nehmen, wenn sie sich impfen lassen?
Professor Marx: Das kann ich gut verstehen. Aber zum einen zeigen inzwischen Millionen von geimpften Menschen weltweit, dass sie die Impfung gut vertragen und Antikörper aufbauen, und zum anderen gibt es in meinen eigenen Beobachtungen bei uns in Deutschland keinen einzigen Fall, bei dem gravierende, lebensbedrohliche Nebenwirkungen auftraten. Und wir müssen wirklich verstehen: Nur wenn der überwiegende Teil unserer Bevölkerung geimpft wird, dann können wir die Infektionswelle zusammenbrechen lassen. Das ist wichtig und ich glaube auch, das ist ein Auftrag für unsere Gesellschaft. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, davon zeugt, dass sich die Menschen solidarisch zeigen.
Müssen wir uns denn impfen lassen? Oder drohen uns arbeitsrechtliche Konsequenzen, wenn wir uns nicht impfen lassen?
Professor Marx: Ganz eindeutig: Jeder entscheidet für sich, ob er sich impfen lassen will. Es wird sicher keinen Zwang geben, sich impfen zu lassen. Auch arbeitsrechtlich fehlt hier die gesetzliche Grundlage für Sanktionen. Dennoch empfehle ich dringend, das Angebot einer Impfung anzunehmen, denn aus meiner Sicht ist die Impfung ein Geschenk an unsere Gesundheit und die möglichen Risiken sind im Vergleich zu einer Covid-19 – Erkrankung verschwindend gering. Wir haben seit Jahrzehnten große Erfahrungen mit dem Erfolg von Impfungen. Wenn wir die Impfungen gegen Röteln, Masern, Diphterie, Leberentzündung, infektiöse Hirnhautentzündung, Tetanus oder Mumps nehmen, so sind das gute Beispiele dafür, dass wir diese Krankheiten, Tote und dauerhaft Geschädigte erfolgreich bekämpfen konnten. Nehmen wir das Beispiel der Pocken: Sie gelten inzwischen als besiegt. Es gibt weltweit keine Pocken mehr, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Und wenn es um das Ausland geht, wird seit Jahrzehnten erfolgreich gegen das Gelbfieber geimpft. Alles in allem: Die Geschichte der Impfungen ist eine Erfolgsgeschichte in Deutschland.
Welche Gefahren drohen denn bei einer Impfung? Viele Mitarbeiter der Malteser sorgen sich, dass ihnen die Impfung kurzfristig schadet, aber auch, dass langfristige Schäden eintreten können. Wie sehen Sie das?
Professor Marx: Weltweit wurden inzwischen mehrere Millionen Menschen geimpft. In extrem wenigen Fällen hat es Zwischenfälle wie allergische Reaktionen oder Entzündungen an der Einstichstelle gegeben. Die prinzipiell möglichen allergischen Reaktionen sind auch der Grund dafür, dass die Geimpften direkt nach der Impfung eine halbe Stunde im Impfzentrum verbleiben. Der Impfstoff ist so neu, dass wir noch keine Erfahrung mit Spätwirkungen haben. Manche Mitarbeiter haben Angst an Krebs zu erkranken oder neurologische Schäden zu erleiden. Ich halte diese Sorge allerdings für unbegründet. Es gibt zurzeit keine wissenschaftlichen Ansätze für mögliche Schadenszenarien.
Was macht die Impfung eigentlich aus und was ist neu an dieser Art der Impfung?
Professor Marx: Viele Impfstoffe sind so vorbereitet, dass abgetötete Erreger oder in ihrer krankmachenden Wirkung abgeschwächte Erreger in den Körper eingebracht werden. Die Menschen reagieren dann mit einer Abwehrreaktion durch die Bildung von Antikörpern. Beim neuen Impfstoff gegen die Covid-19 – Erkrankung ist es etwas anders. Hier wird eine Messenger-RNA – eingebracht, also ein Botenstoff, der aus der Zelle selber kommt. Aber dieser Impfstoff dringt nicht in den Zellkern ein und die DNA des Menschen kann nicht verändert werden. Dies ist bewiesen.
Aber was bringt der Impfstoff, wenn es jetzt verschiedene Varianten des Erregers gibt. Bringt dann die Impfung überhaupt etwas?
Professor Marx: Alle verfügbaren Impfstoffe wirken auch auf die veränderten Varianten und es wird laufend überprüft, wie stark die Schutzwirkung der Impfung dann ist. Der Vorteil der „Messenger-RNA-Impfstoffe“ ist, dass auch ganz kurzfristig sich die Herstellerfirmen auf Veränderungen des vorherrschenden Wirkstoffs einstellen können. Das ist eine Stärke dieses Herstellungsverfahrens der Impfstoffe.
Wie sieht es denn tatsächlich aus mit der Verträglichkeit des Impfstoffs, den wir haben?
Professor Marx: Jeder Impfstoff soll eine Antikörperbildung hervorrufen. Wenn sich der Körper mit dem Impfstoff auseinandersetzt, werden Reaktionen sichtbar. Und dies können zum Beispiel Rötungen oder Empfindlichkeiten an der Einstichstelle sein. Und es kann auch sein, dass sich vereinzelt Geimpfte für einen Tag schlapp fühlen oder sogar etwas Fieber bekommen. Das ist allerdings selten. Das ist aber keine Komplikation der Impfung, sondern zeigt an, dass die Impfung wirklich wirkt und eine Reaktion im Körper hervorruft, es werden dann nämlich Antikörper gebildet.
Impfkritiker sagen, RNA-Impfungen können zu Mutationen in unserem Erbgut führen. Ist diese Sorge berechtigt?
Professor Marx: Absolut nein! Der Impfstoff, der eine „Botschaft“ des Erregers in Form einer „messenger-RNA“ enthält dringt zwar in den Körper ein und bewirkt eine Auseinandersetzung in Form einer Antikörperwirkung. Die Messenger-RNA kann aber nicht in den Zellkern eindringen und daher ist grundsätzlich eine Veränderung des Erbgutes ausgeschlossen. Die Messenger- RNA ist übrigens ein Stoff, der aus dem Zellkern ausgeschleust wird und nicht eingeschleust wird. Es handelt sich so gesehen um eine Einbahnstraße, die den Körper schützt.
Zurzeit wird über das neue Wort „Impfneid“ diskutiert: Manche Menschen erleben mit einem gewissen Neid, dass Malteser und andere Beschäftigte im Gesundheitsdienst geimpft werden, nicht aber sie selbst. Wie sehen Sie das?
Professor Marx: Die Bundesregierung hat eine Reihenfolge festgelegt, wie geimpft werden soll. Da sind die sehr alten Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, an erster Stelle zu nennen. Und dann gibt es die Mitarbeiter aus den Krankenhäusern und aus dem Rettungsdienst, die mit Kranken ganz hautnah im wahrsten Sinne des Wortes zusammenkommen. Hier sehe ich eine besonders wichtige Gruppe, die wir schützen müssen. Und im dritten Schritt kommen andere Gruppen. Ich bin mir sehr sicher, dass trotz der anfänglichen Anlaufschwierigkeiten in den kommenden Monaten extrem viele Menschen in Deutschland geimpft werden können und dass zunehmend die Beschränkungen des Alltags, die wir im Moment erleben, wieder aufgehoben werden können.
Vielen Dank an die KollegInnen der Presse- und Kommunikationsabteilung der Malteser in NRW, die das Interview durchgeführt und zur Verfügung gestellt haben!